Aus dem schnellen Voranschreiten der Digitalisierung ergeben sich neben vielen Vorteilen auch vielfältige Herausforderungen für Unternehmen und Mitarbeitende. Denn Stress, der durch digitales Arbeiten entsteht, führt zu neuen psychischen Belastungen, die negative Folgen für die Gesundheit haben können. Wir beleuchten die größten Ursachen und Auswirkungen von digitalem Stress und zeigen auf, welche Maßnahmen bei der Gestaltung von gesunden Arbeitsplätzen sinnvoll sind.
Maximale Vernetzung und unbeschränkter digitaler Zugang zu Informationen haben im Rahmen der Corona-Pandemie so manchen Lockdown erleichtert. Aber auch die „Post-Corona-Zeit“ wird durch die Intensivierung der digitalen Arbeit gekennzeichnet, welche die Etablierung neuer Trends in der Arbeitswelt zusätzlich beschleunigt. Während früher virtuelle Meetings oder Homeoffice kaum vorstellbar waren, sind diese heute nicht mehr wegzudenken. Die Verwendung der Begriffe „New Work“ oder „Workation“ verschiebt sich damit aus der theoretischen Ebene in den beruflichen Alltag vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Denn die Befürwortung, aber auch die Forderung nach digitalen Arbeitsplätzen mit neuen Arbeitszeitmodellen, zeit- und ortsungebundenem Arbeiten und maximaler Automatisierung von Prozessen steigt rasant. Dass der aktuelle Wandel der Arbeitswelt unumgänglich mit hohen technologischen Anforderungen, aber auch mit digitalem Stress verbunden ist, steht außer Frage.
Was ist digitaler Stress?
Das digitale Arbeiten bringt eine besondere Form der Beanspruchung für Körper und Geist mit sich. Wenn die digitalen Anforderungen die Ressourcen eines Menschen übersteigen, kommt es zu digitalem Stress.
Das erhöhte Forschungsinteresse am digitalen Arbeiten lässt langwierige negative Konsequenzen des Booms erahnen. So zeigt eine Studie der FH Oberösterreich, dass digitaler Stress bereits moderat als Phänomen wahrgenommen wird und mit negativen Konsequenzen wie verminderter mentaler Gesundheit oder Arbeitszufriedenheit einhergeht. Eine weitere wissenschaftliche Studie des Fraunhofer Instituts benennt zudem 12 Belastungsfaktoren, denen sich die meisten Befragten moderat – jede bzw. jeder Achte sogar sehr stark – ausgesetzt fühlen.
Belastungsfaktoren beim digitalen Stress
Die aktuelle wissenschaftliche Auseinandersetzung verdeutlicht außerdem, dass digitaler Stress mehr als ein theoretisches Konstrukt ist und die resultierenden Belastungen sowohl von den Betroffenen als auch von den Arbeitgebern ernst zu nehmen sind. Häufig genannte Belastungsfaktoren von digitalem Stress sind u. a. das Gefühl der Leistungsüberwachung und Verletzung der Privatsphäre, technische Störungen, mangelnder technischer Support, häufige Unterbrechungen des Workflows und Informationsflut sowie eine hohe Komplexität digitaler Anforderungen. Darüber hinaus zählen die gefühlt ständige Erreichbarkeit und eine gestörte Work-Life-Balance ebenfalls zu den Belastungsfaktoren.
Digitaler Stress und gesundheitliche Risiken
Neben diesen Belastungsfaktoren konnten Beanspruchungsfolgen von digitalem Stress nachgewiesen werden. Sie reichen von Müdigkeit und Erschöpfung, über erhöhte Reizbarkeit, diversen Gesundheitsbeschwerden bis hin zu psychischen Beeinträchtigungen. Häufig genannt werden auch reduzierte Arbeitszufriedenheit, verminderte Arbeitsfähigkeit sowie das Zoom-Fatigue-Syndrom – ein Beschwerdebild, das mit Konzentrationsschwierigkeiten, Reizbarkeit, Müdigkeit, Kopf- und Rückenschmerzen einhergehen kann.
Digitaler Stress ist dabei kein alleinstehendes Phänomen. Es wird mehrfach belegt, dass der Stress von weiteren Belastungsfaktoren aus der analogen Welt (wie z. B. Konflikten im Team) verstärkt wird und psychische Belastungen im Homeoffice ebenso mitwirken.
Digitaler Stress im Unternehmen – 6 gesundheitsfördernde Maßnahmen
Ein gesunder Umgang mit digitalen Medien liegt in der Selbstverantwortung jeder bzw. jedes Einzelnen. Aber auch in Unternehmen ist das zunehmende Sensibilisieren und ein Schaffen gesunder Rahmenbedingungen essenziell, um negativen Beanspruchungsfolgen von digitalen Belastungen entgegenzuwirken. Folgende Implikationen lassen sich aus bisherigen Forschungsergebnissen ableiten:
1. Schützen Sie die Privatsphäre Ihrer Mitarbeitenden
In der Fraunhofer Studie „Gesund digital arbeiten“ (2019) geben die Befragten als häufigste Belastungsfaktoren das Gefühl der Leistungsüberwachung sowie einer verletzten Privatsphäre an. Gleichwohl zeigt die vieconsult-Befragungspraxis, dass Bedenken bezüglich des Datenschutzes und der Anonymität trotz der DSGVO sowie neuer Datenschutzrichtlinien bei vielen Mitarbeitenden präsent sind. Schaffen Sie Sicherheit, indem Sie ein verständliches Datenschutzkonzept entwickeln und kommunizieren. Definieren Sie interne oder auch externe Datenschutzbeauftragte, die Ihre Datenschutzmaßnahmen laufend evaluieren und Ihren Fokus aufs Thema in der Unternehmenskultur sichtbar machen. Nicht nur zu wissen, sondern auch zu verstehen, wofür welche Daten gespeichert werden, kann Mitarbeitende entlasten.
2. Wählen Sie digitale Anwendungen gemeinsam aus
Wenn Mitarbeitende in die Testung und Auswahl von Tools miteinbezogen werden, die sie zukünftig nutzen sollen, erhöht dies die Motivation und Akzeptanz. Beziehen Sie Ihre Mitarbeitenden daher in die Auswahl der digitalen Tools ein, mit denen sie arbeiten und machen Sie technische Rahmenbedingungen für alle verständlich sowie leicht zugänglich. Ermöglichen Sie anhand festgelegter Einarbeitungszeiten oder sogenannter „Boot-Camps“, dass Mitarbeitende neue Tools nicht nur kennenlernen, sondern deren Nutzung verankern und automatisieren. Ein Helpdesk oder Support sowie gute Backup-Systeme schaffen weitere Sicherheit.
3. Weniger ist mehr: Setzen Sie auf effektive Tools
Digitaler Stress steigt, wenn mehr digitale Anwendungen mit einer geringen Nutzungsquote in Verwendung sind. Umgekehrt sinkt digitaler Stress, wenn wenige digitale Tools mit einer hohen Nutzungsquote in Verwendung sind. Dies gilt es unbedingt in der Praxis zu berücksichtigen. Lassen Sie sich von Expertinnen und Experten beraten, welches Programm mehrere Funktionen gleichzeitig abdeckt oder welche Möglichkeiten bereits durch die bestehende IT-Infrastruktur bestehen, bevor Sie sich nach einem neuen Programm umsehen. Definieren Sie „Tool-Verantwortliche“, die bei Fragen als Ansprechpartnerinnen oder -partner fungieren.
4. Reduzieren Sie Unterbrechungen
Störungsquellen und Ursachen für Unterbrechungen bei der Arbeit sind sehr vielfältig. Genauso die Möglichkeiten, diese zu reduzieren. Durch das Schaffen von Ruheräumen, Homeoffice-Möglichkeiten, (kabellosen) Headsets und stummen (nur blinkenden) Telefonen können akustische Unterbrechungen verringert werden. Die Festlegung von „E-Mail-Schreib-Zeiten“ (z. B. nie vor 08:00), klaren (möglichst wenigen) Kommunikationswegen und störungsfreien Zeiten kann ebenfalls fokussiertes Arbeiten sowie Entlastung ermöglichen.
5. Regen Sie bewusste analoge Pausen an
Da digitales Arbeiten v. a. mit sitzender Bildschirmarbeit verbunden ist, leiden immer mehr Personen sowohl an Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparats als auch an Zoom-Fatigue. Insofern werden – neben abwechselndem Gehen und Stehen – auch Übungen für Kopf, Augen, Nacken und Rücken immer wichtiger. Die Mitarbeitenden bezüglich einer gesunden Arbeitsweise aufzuklären und zu sensibilisieren, liegt in der Verantwortung des Arbeitgebers. Kultivieren Sie außerdem angemessene Pausen in jedem Teammeeting und leben Sie diese vor: Nur so folgen gesunden Rahmenbedingungen auch gesunde Verhaltensweisen.
6. Minimieren Sie digitalen Stress im Rahmen einer Arbeitsplatzevaluierung
Seit 2013 ist es laut Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG) verpflichtend, die Evaluierung psychischer Belastungen in Unternehmen vorzunehmen und darauf aufbauend gesundheitsfördernde Maßnahmen umzusetzen. Nutzen Sie die gesetzliche Verpflichtung als betriebliche Chance, um digitalen und analogen Belastungen auf den Grund zu gehen und ihnen effektvoll entgegenzuwirken.
Gesundes Arbeiten mit vieconsult
Dank perfekter Telearbeitsmöglichkeiten arbeiten auch wir bei vieconsult vorwiegend hybrid im Büro oder im Homeoffice. So erleben wir sowohl intern als auch extern in Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden tagtäglich die Vor- und Nachteile der digitalen Arbeitswelt.
Egal, ob Klein- oder Großunternehmen – beim Ableiten und Umsetzen gesunder Maßnahmen im Job ist eine gute Datenbasis wesentlich. Nutzen Sie die Möglichkeit einer Mitarbeiterbefragung oder der Evaluierung psychischer Belastungen nach ASchG. Wir beraten Sie gerne!
Lesetipps:
- Gimpel, H., Lanzl, J., Regal, C., Urbach, N. et al. (2019). Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland. Augsburg: Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT.
- Gimpel, H., Berger, M., Regal, C., Urbach, N. et al. (2020). Belastungsfaktoren der digitalen Arbeit. Eine beispielhafte Darstellung der Faktoren, die digitalen Stress hervorrufen. Augsburg: Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT.
- Riedl, R., Fischer, T., Kalischko, T., Reuter, M. (2020). Digitaler Stress – Eine Befragungsstudie im deutschsprachigen Raum. Universität Linz und Universität Bonn.
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