Die Mitarbeiterbefragung gehört in vielen Unternehmen bereits zum Standard. Sie misst den Ist-Zustand und gibt anhand ihrer Ergebnisse den Takt für Veränderungen vor. Häufig stellt sich jedoch die Frage, was die Mitarbeiterbefragung überhaupt messen soll – und hier kommt die Auswahl passender Themen und Fragebogenitems ins Spiel. Wie sieht der „richtige“ Fragenkatalog für eine Mitarbeiterbefragung aus? Und welche Fragen sollte man besser vermeiden?
Der „richtige“ Fragenkatalog für Ihre Mitarbeiterbefragung
Grundsätzlich sollten in Mitarbeiterbefragungen – egal ob Gesamt-Befragung oder Puls-Befragung – nur solche Items abgefragt werden, deren Antworten auch Relevanz besitzen bzw. Anknüpfungspunkte für den nächsten Schritt bieten.
Neben der Erfragung von Soziodemografika, welche schon lange passé ist, gibt es dabei noch einige weitere Kandidaten, die spätestens in Zeiten des agilen Arbeitens, jeder Befragung verschlossen bleiben sollten.
Wir stellen Ihnen 4 kontroverse Themen aus dem Fragenkatalog Ihrer Mitarbeiterbefragung vor, die Sie vermeiden sollten und zeigen, wie man mit den „richtigen“ Formulierungen auch heikle Fragen stellen kann.
1. Vermeiden Sie Fragen zum Gehalt
Beispiel: „Ich empfinde mein Gehalt als angemessen.“
Ein schwieriges Thema, welches die Gemüter spaltet. Manche Unternehmen integrieren Gehaltsfragen seit jeher in den Fragenkatalog ihrer Mitarbeiterbefragungen. Andere Unternehmen meiden sie um jeden Preis. Warum? Es handelt sich grundsätzlich um ein Thema der (Un)Zufriedenheit, welches jedoch nur selten nachhaltiges Engagement mit sich bringt.
Aus unserer Sicht gibt es Argumente, die dafürsprechen, Gehaltsfragen zu in den Fragenkatalog einer Mitarbeiterbefragung zu integrieren, aber auch Argumente, die dagegensprechen:
- Prinzipiell sollte man in einer Mitarbeiterbefragung nur Dinge aufnehmen, die veränderbar und beeinflussbar sind. Hat ein Unternehmen hier weder Spielraum noch Interesse – warum fragen? Hier sollte man pragmatisch vorgehen.
- Man muss sich bewusst sein, dass Gehaltsfragen einen transaktionalen Charakter haben: „Ich gebe dir das, damit du mir das gibst“. Das ist per se nicht gut oder schlecht. Man muss sich jedoch darüber bewusst sein, dass Gehaltsfragen den Charakter einer Befragung zu einem gewissen Grad verändern.
- Mit solchen Fragen kann eine Wunsch- und Erwartungshaltung bei Mitarbeitenden erzeugt werden. Und damit entstehen tendenziell Antworten mit niedrigen Ausprägungen. In Benchmark-Studien zeigt sich deutlich, dass die „Zufriedenheit mit dem Gehalt“ die am niedrigsten beantwortete Frage von Mitarbeiterbefragungen ist. Das ist vergleichbar mit der Anekdote, die Rockefeller zugeschrieben wird: Auf die Frage „Wie viel Reichtum ist genug?“, soll er „Ein bisschen mehr“ geantwortet haben.
Wenn das Thema im Fragebogen abgefragt werden soll, feilen Sie daran, dass die Formulierung wirklich passt.
Befragen Sie nicht ausschließlich zu monetärem Entgelt, sondern erheben Sie das Gesamtpaket an Leistungen. Ziehen Sie zudem Formulierungen vor, die nicht das Motto „ein bisschen mehr wäre gut“ betonen, sondern eher realistisch erden und ein relativierendes Element haben z. B. „Ich empfinde mein Gehalt als angemessen im Marktvergleich.“
2. Vorsicht bei privaten Fragen
Solche Fragen sind gut gemeint, lösen eventuell jedoch negative Reaktionen aus.
Beispiel: „Leiden Sie an einem der folgenden Symptome: Herzrasen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Sodbrennen…?“
Im Fragenkatalog von Mitarbeiterbefragungen findet man mitunter sehr persönliche Fragen, die bspw. im Bereich Gesundheit versuchen, weit verbreitete Symptome abzufragen. Derartige „Beschwerdelisten“ gibt es standardisiert im Bereich der Gesundheitsforschung.
Das „Warum“ hinter solchen Fragen ist zumeist positiv: Im Unternehmen mögliche Symptome für Fehlbelastungen aufzeigen und intervenieren. Aus unserer Sicht sollte dies aber nur im kontrollierten Rahmen von vertiefenden und kleingliedrigen Gesundheitsprojekten passieren, nicht aber im Fragenkatalog einer klassischen Mitarbeiterbefragung.
Beispiel: „Alles in allem: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer derzeitigen Lebensqualität?“
Ähnliches trifft auch auf Fragen zu, die nach der allgemeinen Lebenszufriedenheit und dem Lebensglück von Mitarbeitenden fragen. Natürlich sind die Antworten interessant und natürlich beeinflusst auch die private Lebenswelt das Erleben der Arbeitswelt. Betrachtet man die Befragung aber als Organisationsentwicklungsinstrument, sind derartige Fragen zum einen höchst privat, zum anderen ist die direkte Interventionsmöglichkeit auf Ebene der Organisation sehr überschaubar.
3. Achten Sie auf die Formulierung bei Fragen nach Lob, Anerkennung und Wertschätzung
Beispiel: „Mein Vorgesetzter lobt mich für gute Arbeit.“
Die Frage nach „Lob“ ist Standard in vielen Mitarbeiterbefragungen. In neuen Diskussionen wird das Wort „Lob“ jedoch meist durch „Anerkennung“ oder „Wertschätzung“ ersetzt bzw. erweitert.
Man sollte sich darüber bewusst sein, dass derartige Fragen top-down wirken und hierarchische Strukturen betonen. Das kann auf zweierlei Arten zu Problemen führen:
- Lob wird meist in zwei Aspekte zerteilt: Da gibt es den Einen, der etwas getan hat, und den Anderen, der die Bewertungs- und Lob-Hoheit besitzt und das Lob ausspricht. Lob impliziert dabei meist „über jemandem zu stehen“, mit Aussagen à la „Das hast du gut gemacht!“. In den Augen vieler Autorinnen und Autoren versteckt sich daher ein hierarchisches Element im Begriff „Lob“. Dieses findet man bei den breiteren Begriffen der „Anerkennung“ oder der egalitären „Wertschätzung“ eher nicht.
- Die Lob-Frage muss zum Unternehmen passen: Klassische Fragen zur top-down Führung passen nicht immer in flachere und agilere Strukturen. Natürlich wissen Sie, dass der eigene Vorgesetzte loben, delegieren und informieren soll. Aber Führung ist eben ein Mannschaftssport und daher raten wir in partizipativ-egalitäreren Unternehmenskulturen zu Fragen, die auf die Wertschätzung oder Anerkennung unter Kolleginnen und Kollegen abzielen. Denn durch gezieltes Aufbrechen traditioneller top-down Fragenkataloge senden Sie auch eine andere kulturelle Botschaft in Ihrer Mitarbeiterbefragung!
4. Vermeiden Sie Fehler beim „Net Promoter Score“
Beispiel: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Unternehmen X weiterempfehlen werden?“
Beim Net Promoter Score handelt es sich eigentlich nicht um eine Frage, sondern um eine Methode. Ausgedrückt wird diese Methode jedoch in einer simplen Fragestellung, die ihren Ursprung im Bereich der Marktforschung findet. Dabei werden auf einer 11-stufigen Skala von 0-10 die eindeutigen Befürwortenden (9, 10) den eindeutigen Ablehnenden (0-6) gegenübergestellt und die „Netto-Befürwortenden“ durch Subtraktion gebildet. In den letzten Jahren wird diese Methode häufig auch auf Mitarbeiterbefragungen übertragen, um Weiterempfehlungsbereitschaft zu messen. Hierbei ergeben sich jedoch Fehlerquellen:
- Der Net Promoter Score ist und bleibt ein Marktforschungskonzept. Die Anwendung im Bereich der Mitarbeiterbefragung mag nahe liegen, es handelt sich jedoch um eine sehr abstrakte und wenig handlungsleitende Fragestellung.
- Die Anwendung der Methode ist oft falsch. Manchmal wird nicht die ursprüngliche Skala (von 0-10) verwendet, sondern Skalen von 1-10 oder 1-6 herangezogen. Zudem wird die Frage häufig anders gestellt. Aus einem „Wie wahrscheinlich ist es …“ wird ein „Empfehlen Sie …“. Die 0-10er Skala (die Wahrscheinlichkeiten von 0% bis 100% simulieren soll), verliert dadurch ihren Sinn.
5. Prüfen Sie weitere Fragen rund um „Weiterempfehlungsbereitschaft“
Beispiel: „Ich kann Produkte und Dienstleistungen unseres Unternehmens weiterempfehlen.“
Neben der Weiterempfehlungsbereitschaft des gesamten Unternehmens ist die Weiterempfehlung von Produkten oder Dienstleistungen eines Unternehmens eine häufig gestellte Frage im Fragenkatalog einer Mitarbeiterbefragung. Allerdings sollten Sie diesbezüglich stets hinterfragen, ob die Frage in jedem Zusammenhang Sinn ergibt und echten Erklärungswert stiftet!
Sinnvoll kann die Frage der Weiterempfehlung bei kleineren und mittleren Unternehmen mit einem B2C-Produkt oder eine (unternehmensbezogenen) Dienstleistung sein.
Weniger Sinn ergibt die Frage jedoch bei hochkomplexen oder industriellen Produkten. Würde zum Beispiel ein Windkraftturbinen-Hersteller diese Frage stellen, dann würde dies wohl für Schmunzeln sorgen: Wie oft benötigen Bekannte eine Windturbine im Garten? Und in anderen Fällen – zum Beispiel bei einem Zigaretten-Hersteller – würde die Frage wohl auch ein wenig unpassend wirken. Hier ginge es (wenn überhaupt) wohl um die Weiterempfehlung an eine spezielle Personengruppe (z. B. Rauchende).
vieconsult-Expertentipp: Agilität in Mitarbeiterbefragungen messen
Die moderne Arbeitswelt steht ganz im Zeichen von „New Work“ und wird durch das Aufbrechen fixer Strukturen bestimmt. Das sollte sich auch im Fragenkatalog ihrer Mitarbeiterbefragung widerspiegeln: Die fixe Abbildung der Organisationsstruktur und Zuordnung zu Teams- und Abteilungen, wie sie innerhalb von Befragungen üblicherweise angenommen wird, gilt es zu hinterfragen. Was bisher als feste Zuordnung galt, muss gegebenenfalls (je nach Unternehmen) parallelen oder multiplen Teamzuordnungen weichen, um die Arbeitsrealität möglichst treffgenau abzubilden.
Gerade weil der Prozess zu agileren Arbeitsweisen – wie jeder andere Veränderungsprozess – Zeit und Ressourcen braucht, bietet eine Mitarbeiterbefragung Gelegenheit nachzuforschen:
- Wie geht es Ihnen mit der veränderten Arbeitsweise?
- Was brauchen Sie, damit es noch besser funktioniert?
- Was fehlt Ihnen, um das Zielbild des agilen Arbeitens tatsächlich umzusetzen?
Dahingehend gibt es ein breites Feld an Fragestellungen, welches in der Vorbereitung einer Befragung geplant und genutzt werden sollte, um den Befragungsaufwand zu minimieren und den daraus entstehenden Nutzen zu maximieren. Zwei Beispielitems stellen wir hier vor:
- „Aufgaben und Verantwortlichkeiten sind in unserem Team bidirektional und wechselseitig eindeutig verteilt.“ (Statt: „Meine direkte Führungskraft macht ihre Erwartungen an mich klar und deutlich.“)
- „Das Handeln im Team wird vom gesetzten Ziel – nicht von Regeln oder Vorgaben – bestimmt.“ (Statt: „Die Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Team sind eindeutig sowie distinkt festgelegt und folgen klaren Vorgaben.“)
Eine Befragung ist nicht nur Puls-Nehmer, sondern gewissermaßen auch Takt-Geber. Beim Thema Agilität geht es dementsprechend darum, das Zielbild (angestrebt oder bereits gelebt) des agilen Arbeitens auf eine angemessene, nicht abschreckende Weise abzubilden.
Fazit: Warum der Fragebogenkatalog ihrer Mitarbeiterbefragung eine eigene Literaturgattung ist
Wie Sie sehen, gibt es einiges zu beachten, wenn es um die Auswahl an Themen und die Konstruktion eines Fragenkatalogs für Ihre Mitarbeiterbefragung geht! Nicht umsonst sagen wir: Die Fragebogenformulierung ist eine eigene Literaturgattung.
Greifen Sie deshalb auf erprobte und validierte Instrumente zurück und ziehen Sie Profis hinzu, die durch Expertise und Erfahrung unterstützen können. Überarbeiten Sie Ihre Befragungsinstrumente in regelmäßigen Abständen und passen Sie diese an die sich laufend verändernde Unternehmenskultur, den Zeitgeist, aber auch die Rahmenbedingungen an.
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