Zurück ins Büro: Vom Schock zur Integration – und all over again?

Die Covid-19-Pandemie steht nicht nur für kurzfristige Herausforderungen, sie hat auch langfristige Konsequenzen mit sich gebracht. Diese kann man als den Start in einen organisationalen Change-Prozess bezeichnen. Die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sich an die Umstände angepasst – nun gilt es aber langsam wieder in den Arbeitsalltag „vor Corona“ zurückzukehren. Ein Prozess, der viele Menschen emotionalisiert zurücklässt. Es geht zurück ins Büro – wir erklären, warum das für viele nicht so einfach ist.

18 Monate ist es her, dass weite Teile der Bevölkerung schlagartig ihren Arbeitsort wechselten, ihre täglichen Routinen umstrukturierten und bis heute Videokonferenz-Tools auf eine exzessive Art und Weisen nutzen. Arbeitsweisen, die zuvor nur in Start-ups im Silicon Valley oder bei Selbstständigen üblich waren, haben sich in Windeseile nahezu in allen Unternehmen durchgesetzt – von Großkonzern bis zu KMU.

Zurück ins Büro: Eine ambivalente Erfahrung

Beim Lesen dieser Zeilen erinnern Sie sich vielleicht an diese spezielle Zeit im März 2020. Viel wurde seither z. B. über die Möglichkeiten und Herausforderungen im Home-Office diskutiert und umgesetzt. Mittlerweile sind die Schlagworte „Hybrides Arbeiten“ oder „virtuelle Zusammenarbeit“ daher fixe Bestandteile unserer Sprache und bedürfen fast keiner Erklärung mehr. Für viele hat sich der Ausnahmezustand zum neuen „Normal“ entwickelt und vieles hat sich eingependelt.

Mit steigender Impfquote und ausgeschalteten Corona-Ampeln stehen jedoch viele Personen erneut vor einem Change-Prozess. Für manche ist das „Zurück ins Büro“ eine freundliche Einladung, die Büroräumlichkeiten wieder zu nutzen, mit Kolleginnen und Kollegen analog zu arbeiten und Mittagspausen gemeinsam zu verbringen. Für andere klingt die „Zurück-ins-Büro“-Ansage eher wie ein Befehl, der Unbehagen auslöst. Wo sich die einen freuen, einige Tage in der Woche wieder im Büro zu arbeiten, entwickelt sich bei anderen Menschen Unverständnis. Sie hinterfragen, wieso die neu gewonnene Freiheit und die bessere Work-Life-Balance trotz gleichbleibender Produktivität wieder über Bord geworfen werden soll. Zurück ins Büro, zurück zum Start – bedeutet das auch: zurück in die „Schock“-Phase?

Organisationaler Wandel in Zeiten von Covid-19

Was ist gemeint? Unternehmen entwickeln sich heutzutage in rasanter Geschwindigkeit, da sie sich an ein ständig wandelndes Umfeld anpassen müssen. Das war schon vor der Pandemie so – aber die Covid-19-Pandemie hat massiv dazu beigetragen. Change-Modelle greifen solche Veränderungen auf und helfen sie zu managen, schwierige Veränderungen als Chancen zur Entwicklung zu sehen und ein Unternehmen somit ganzheitlich zu erneuern. Die Stärke solcher Modelle liegt aber vor allem darin, neben der Management-Funktion von Veränderungen auch die Wahrnehmung der vom-Wandel-Betroffenen miteinzubeziehen.

Um die Veränderungen durch die Covid-19-Pandemie zu beschreiben, aber auch die Reaktionen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darauf zu analysieren, eignen sich Change-Modelle daher sehr gut und können für Verständnis sorgen.

Keine Veränderung ohne Emotionen

Klassische Change-Modelle gehen davon aus, dass Change-Phasen immer von Emotionen begleitet werden. Sie beginnen in der Regel mit der ersten Phase: „dem Schock“. Dieser wird jedoch schnell überwunden und nach dem anfänglichen Schockzustand folgt die Reaktanz oder Ablehnung der Veränderung.

Change-Modell nach Kübler-Ross
Change-Modell nach Kübler-Ross

Erst mit der Zeit wird die ablehnende Haltung zunehmend rational beurteilt, bis die emotionale Akzeptanz schließlich die Amplitude der Change-Kurve aufsteigen lässt und die Neugier auf das Neue und auf das Lernen überwiegt. Ein gelungener Change-Prozess mündet in der fruchtbaren Erkenntnis, dass eine Veränderung Gutes bringt. Das neue Verhalten und damit verbundene Regeln werden in den eigenen Alltag integriert, sodass sie schon bald gar nicht mehr wegzudenken sind.

Home-Office, die neuentdeckte Mitarbeiterzufriedenheit

Nicht alle Veränderungen, die die Pandemie uns beschert hat, sind negativ: So sind die Ruhe und die Privatsphäre, die das Home-Office bietet, durchaus nicht zu vernachlässigenden Faktoren von Arbeitsproduktivität und Mitarbeiterzufriedenheit. Diese sollte man als Arbeitgeber als nach der Pandemie nicht vorschnell verpuffen lassen, oder?

Es braucht ein Wiederherstellen einer stabilen Normalität. Vor diesem Balanceakt stehen derzeit viele Unternehmen, die die Gunst der Stunde nutzen, um u. a. die eigenen Bürokonzepte von Grund auf zu überdenken. Wie sieht das Büro der Zukunft aus? Und wenn hybrides Arbeiten gekommen ist, um zu bleiben, welchen physischen Raum braucht es dann überhaupt? Um das Licht am Ende des Tunnels zu sehen, braucht es klare Worte und Entscheidungen, nicht nur abstrakte Zeichen.

Selbstverständlich geht hybrides Arbeiten oder eine flexible Arbeitszeit über den Büroraum und die Ausstattung hinaus. Trotzdem braucht es Überlegungen dazu, welche technologischen Veränderungen notwendig sind und wie viel analoge Zeit im Büro ein Team braucht, um optimal arbeiten zu können. Dringender als jemals zuvor stellt sich auch die Frage, wie man als zeitgemäßer Arbeitgeber die Talente am Markt anzieht und der modernen Employer Brand gerecht wird.

Veränderungen nutzen: New Work Ansätze nach Corona

Wer dieses Momentum nutzt und den Change-Prozess der organisationalen Arbeitsweise aktiv als Übergang in eine „New Work-Alternative“ einleitet, profitiert von einem positiven Impuls dieser Krise. In der Tat ist im Laufe des letzten Jahres aus Trends Mainstream geworden (Home-Office, hybride Meetings, Office-Tage). Namhafte Unternehmen verabschieden sich ganz offiziell von der Präsenzkultur und aktuelle Studien aus der Forschung präsentieren die Vor- und Nachteile vom Home-Office (Stichwort „zoom fatigue“). Vorbildhafte Strategien können und sollen übernommen werden! Viel nachhaltiger ist es jedoch, die treibenden Faktoren, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Pandemie zufrieden und produktiv gehalten haben, zu identifizieren und weiterhin in diese zu investieren. Aus welchen Gründen haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Arbeitgeber in der Krisenzeit nicht gewechselt?

Was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurück im Büro, wirklich wollen

Anstatt sich eine one-size-fits-all New Work Strategie anzueignen, bietet es sich an, das Echo der Organisation als Basis für die nächste Neugestaltung der Arbeitsprozesse heranzuziehen. Die Mitarbeitenden Ihrer Organisation, die die Arbeit in Ihrem Unternehmen jeden Tag hautnah miterleben, sind in diesem Vorhaben die besten Beraterinnen und Berater. Was motiviert die Menschen in der neuen Welt des Arbeitens? Wovon wollen sie sich gänzlich lösen und wann fällt es ihnen schwer loszulassen?

Überlegungen und Konzipierungen sollten zunächst in internen Projektgruppen stattfinden. Danach ist es wichtig, die gesamte Belegschaft abzuholen: Kennen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Pläne und das Vorhaben? Denken Sie an die Change-Kurve und die Phase der Reaktanz und Ablehnung. Gerade jetzt ist die Zeit für integrative Handlungen und einen gemeinsamen Blick in die Zukunft.

 

Quellen:

Austin, J. (2015). Leading Effective Change: A Primer for the HR Professional. 13.

Korunka, C., Juen, B., Kubicek, B., Prinz, W. H., Rakowsky, S., Kutalek, R. (2020). COVID-19 und die Arbeitswelt: Psychosoziale Bedingungen, Entwicklungen und Effekte. Abgerufen von 202012_Expert_Opinion_FOP_AG_Gesellschaft_Psychosoziales_Arbeitswelt.pdf (futureoperations.at)

Kübler-Ross, E. (1969). On Death and Dying (1st ed.). Routledge. https://doi.org/10.4324/9780203010495

 

Nutzen Sie unsere Expertise!

Das Thema dieses Beitrags interessiert Sie? In unserem vieJournal-Newsletter teilen wir mit Ihnen regelmäßig Praxistipps und Praxiserfahrungen aus unserem Projektalltag. Bleiben Sie am Laufenden!

Newsletter abonnieren