Die Grundlagen einer Open Space Konferenz

Die Eckpfeiler dieser Methode ist, dass sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer ohne fixe Agenda oder Tagesordnungspunkte zu einem Leitthema treffen, und daran partizipativ arbeiten. Es ist buchstäblich ein „offener Raum“, in dem jedes Anliegen, das zum Leitthema passt, Platz hat. Die Konferenz selbst stellt den Rahmen zur Verfügung in dem gearbeitet wird, die Inhalte sind vollkommen den Beteiligten überlassen.

Die Organisation

  • Open Space eignet sich von 10 bis +1.000 Personen.
  • Open Space ist meist mehrtägig mit 1 ½ bis 3 Tagen, kann aber auch in seinen Grundzügen zu einem längeren Besprechungsformat gekürzt werden.
  • Open Space verlangt nach einem großen (bis riesigen) Hauptraum, indem sich die Beteiligten treffen, die Veranstaltung eröffnet und auch wieder geschlossen wird. Die Empfehlung liegt bei 3-4m² pro Person. Typischerweise sitzen die TeilnehmerInnen dabei in konzentrischen Kreisen. In der Mitte bildet sich der „open space“.
  • Arbeitsräumen, Arbeitsnischen und/oder Rückzugsmöglichkeiten, in denen dann in Kleingruppen gearbeitet wird. Die Beteiligten bestimmen dabei nicht nur die Themen sondern auch, was – wann – wo bearbeitet wird.
  • Ein Leitthema, dass allen Anwesenden wichtig ist, ein gewisses Maß an Dringlichkeit (und damit Zugkraft besitzt) und ein ausgewogenes Verhältnis aus Konkretheit und Breite besitzt.
  • Es gibt einen Zeit-Raum-Raster, eine leere Pinnwand, auf der im Zuge der Konferenz Themen gesammelt und Arbeitsräumen und Arbeitszeiten zugewiesen werden.
  • Eine Nachrichtenwand steht bereit, auf der die Ergebnisse der Arbeitsgruppen dokumentiert und ausgehangen wird.
  • Es existieren keine klassischen Pausenzeiten. Der Verlauf ist selbstorganisiert.

Die Moderation

Der Moderation kommt im Rahmen einer Open Space Konferenz besondere Bedeutung zu. Zum einen, da vor allem große Open Space Konferenzen lang zu planende, komplexe Vorhaben sind. Zum anderen, da die Moderation durch die kurze aber umso wichtiger Anmoderation des Arbeitsverlaufes, viel zum Vertrauen der Anwesenden in die Methode beitragen kann. Eine energetisierende, wertschätzende Moderation kann eine Open Space Konferenz oft erst zum Erfolg führen.

Die wichtigsten Elemente der Open Space Konferenz

Ich möchte gar nicht so sehr auf Harrison Owens Hintergründe zum Konzept eingehen. Verkürzt könnte man sagen, dass er Anleihen aus ethnographisch-historische Beobachtungen genommen hat. Die Kreisform kommt dabei als urtypischer Austauschform besondere Bedeutung zu. Zum anderen erfuhr er am eigenen Leib, dass auf Konferenzen oft nicht die strukturierten Workshops sondern vielmehr die Pausengespräche werthaltig für die Teilnehmer waren. Ein zu starres Konzept würde den Inhalt konterkarieren, so seine Meinung. Aus diesen und vielen anderen Eindrücken und Erfahrungen heraus entstand Open Space. Der klassische Verfahrensablauf ist:

1. Das Leitthema der Open Space Konferenz

Die Konferenz wird eröffnet und das Leitthema umrissen. Die zentrale Frage, an der gearbeitet werden soll ist dabei möglichst im Raum präsent.

2. Eröffnung

Die Moderatorin/ der Moderator erklärt die Methode, und dass an diesem Tag alles Platz hat, was zum Leitthema passt. Er ermutigt die Teilnehmer dazu wenige Minuten später in den Kreis zu treten, das Thema auf vorbereiteten Moderationskarten zu benennen und einen Zeit/Ort dafür zu wählen: „Ich bin Max Müller, ich möchte am Thema XY arbeiten.“

3. Vier Leitlinien

Bevor die Themensammlung wirklich startet erörtert die Moderation noch die Rahmenbedingungen des Tages, die aus 4 Leitlinien und einem Gesetz bestehen (am Anfang klingt es leicht esoterisch, nach der ersten Open Space Konferenz weiß man aber, was genau damit gemeint ist!)

  1. Seit bereit überrascht zu werden.
  2. Jeder der kommt ist der/die richtige.
  3. Es startet wenn die Zeit reif ist.
  4. Es ist vorbei wenn es vorbei ist.

Das Gesetz der zwei Füße: Bleib in einer Gruppe, solange du etwas beitragen kannst oder etwas lernst. Wenn dem nicht so ist, benutze deine Füße und wechsle.

4. Themensammlung

Anschließend startet die Sammlung der konkreten Anliegen. Die Beteiligten bringen autonom Themen ein und sammeln diese. Bei einer kleinen Konferenz dauert es vielleicht nur 10 Minuten und man hat 15 Themen. Bei einer Großveranstaltung kann dies auch 30-40 Minuten dauern und in Dutzenden Themen enden. Entsprechend verlangt auch der Raum-Zeit-Raster von einer einzelnen Moderationspinnwand bis hin zu einer 20-30 Meter langen Wand.

5. Markplatz

Der Marktplatz wird eröffnet. Alle TeilnehmerInnen haben die Möglichkeit die Themen nochmals zu lesen und ordnen sich nach ihrem Interesse den Slots zu.

6. Selbstorganisierte Arbeitsphase

Und dann? Dann beginnt die selbstorganisierte Arbeitsphase. TeinehmerInnen treffen sich zu den angegeben Zeiten in den angegebenen Räumen und arbeiten an ihren Themen. Unterstützt wird dieses autonome Arbeiten durch ausreichend Moderationsmaterial und teilweise durch vordefinierte Ergebnisflipcharts. Sogar auf klassische Pausen wird verzichtet. Die Verpflegung ist immer präsent und wird „on the fly“ konsumiert.

7. Protokollierung

Nach jeder Runde werden die Ergebnisse protokolliert und auf der Nachrichtenwand ausgehängt. Es entsteht eine Galerie der Gedanken, Ideen und Meinungen.

8. Plenum

Auf mehrtägigen Veranstaltungen gibt es abends und morgens meist Zusammenkünfte im Plenum um einen Austausch vor allen zu ermöglichen.

9. Abschluss

Am letzten Tag gibt es ein Abschlusstreffen auf dem v.a. die Absicherung der Nachhaltigkeit der Ergebnisse im Zentrum steht. Je nach Hintergrund und Ziel der Konferenz werden die Ergebnisse auch strukturiert nachverfolgt und gesichert

Open Space Konferenz: ein Praxisbericht

Das Konzept klingt simpel. Fast schon minimalistisch (vom logistischen Aufwand abgesehen). Vielleicht auch zu gut um wahr zu sein: Die Beteiligten arbeiten eigenverantwortlich an relevanten Themen ohne Steuerung? Fast schon potenziell angsteinflößend, oder?

Meine Erfahrung nach sind Open Space Konferenzen mehr als nur ein Meetingformat. Sie sind mächtige Interventionsinstrumente die nicht nur neue Inhalte produzieren, sondern auch ein Gruppenerlebnis schaffen, das lange nachzuwirken vermag. Open Space ermöglicht, dass nicht nur Bearbeitung sondern das Eintauchen in ein Leitthema entsteht. Man diskutiert es nicht nur, man identifiziert sich damit und taucht ein. Ich komme gerade von einer Open Space Konferenz die ich moderiert habe für rd. 40 Führungskräfte eines Konzerns. Was ist mein Resümee.

Resümee

  • Ein passendes Leitthema zu wählen und eine Location mit passendem Rahmen zu haben sind für mich die Grundvoraussetzungen für dieses Konzept. Dazu kommen freiwillig Erscheinende die an diese Thema Interesse haben. Sind diese Grundvoraussetzungen nicht gegeben: Finger weg!
  • Das Konzept gibt viele Freiräume. Und das braucht Vertrauen. Entsprechend war die Vorabstimmung und Vorarbeit mit dem Managementteam als Auftraggeber entscheidend. Nur so konnte erreicht werden, dass dieser Freiraum auch gewährt wird. Das „Zulassen“ muss vorab sicher gestellt werden.
  • Der größte Unsicherheitsfaktor in den Köpfen ist bei einem Open Space die Frage ob sich (überhaupt) und mit welchen Themen sich die Anliegenswand füllt. Das Horrorszenario: niemand nennt ein Thema. Meine Erfahrung: es gibt immer Themen. In meinem aktuellen Fall waren in 10-15 Minuten 20 Themen formuliert und zugeordnet. Das erste Staunen der Teilnehmer war groß.
  • Der Start in die ersten selbstgesteuerten Arbeitsgruppen ist meist von etwas Unsicherheit geprägt. Nicht nur bei den Teilnehmern. Auch bei Moderatoren, denn man zieht sich komplett aus einer aktiven Steuerungsrolle zurück und sorgt nur dezent im Hintergrund für den Rahmen. Werden die Teilnehmer autonom starten/enden? Werden die Themen entsprechend bearbeitet? Man muss Loslassen wollen und Loslassen können. Open Space erfordert eine hohe Moderationskompetenz. Aber mehr noch: Eine hohe Rollensicherheit.
  • In meinem Fall haben alle Teilnehmer rasch in den Arbeitsmodus gefunden und haben fokussiert und interessiert gearbeitet. Jeder der in einem Thema war, war dort, weil es ihn interessiert hat. Manche Themen sind storniert worden, andere neu entstanden. Wir haben uns nur morgens und abends zu den allgemeinen Plenumsrunden getroffen.
  • Aus meiner Sicht hilft eine strukturierte Vorlage den Teilnehmern in den Arbeitsgruppen zu arbeiten. In meinem Fall habe ich Flipcharts vorbereitet die einige Leitfragen vorgegeben haben. Dies wurde dankend angenommen und hat – auf der Nachrichtenwand – für ein hohes Maß an Übersichtlichkeit gesorgt.
    • Welches Thema diskutieren wir?
    • Was ist die Ausgangssituation?
    • Wie ist die Zielsituation?
    • Was sind unsere Ideen?
    • Was sind konkrete Schritte?
  • In vielen Fachbüchern liest man von einer elektronischen Dokumentation die an bereitgestellten Laptops erfolgt. Ich bin weniger ein Fan davon, aber es hat sich in der Praxis bewährt. V.a. bei zunehmender Größe und Dauer der Veranstaltung.
  • Open Space ist intensiv. Es gibt kein Abschalten und dem Powerpoint-Karaoke zu lauschen. Man ist mittendrin. Teilnehmer ermuntern und ermahnen sich wechselseitig. Gruppendynamik in hoher Ausprägung. Und ein gewisses Maß an Stolz, wenn am Ende ein Protokoll an der Nachrichtenwand hängt, das andere Lesen.

Open Space verlangt Mut

Der Tenor nach 1 ½ Tagen Open Space bei den Teilnehmern: Toll! Energetisch! Überraschend! Man war stolz, auf was man gemeinsam geschafft at. Man war stolz, WIE man miteinander gearbeitet hat. Oder wie es der Geschäftsführer formuliert hat: „Vor einigen Jahren haben wir auf dieser Konferenz 250 Poweroinslides präsentiert. Heute hatten wir nicht mal einen Beamer und es ist mehr entstanden.“

Open Space verlangt Mut. Aber man wird belohnt mit Engagement! Probieren Sie es doch mal aus!