Die Evaluierung psychischer Belastungen ist durch das ASchG in Österreich für alle Unternehmen verpflichtend und zurzeit in aller Munde. Viele Fachveranstaltungen zum Thema fokussieren sich jedoch ausschließlich auf die Durchführung einer solchen Evaluierung. Ein personalistisches Praxisforum hat sich daher nun dem „danach“ gewidmet und die Frage gestellt: „Evaluierung…und dann?“. Wir waren für Sie dabei und wollen Ihnen die wichtigsten Learnings zur erfolgreichen Aufbereitung mit auf den Weg geben!
Im Jänner 2013 ist die Novelle des Arbeitnehmerinnenschutzgesetzes (ASchG-Novelle 2013) in Kraft getreten. In dieser wird die Verpflichtung der Arbeitgeberinnen und -geber zur Evaluierung arbeitsbedingter psychischer Belastungen ausdrücklich gefordert. Derzeit wird das Thema vor allem in Fachkreisen viel diskutiert – in besonderem Maße wird dabei die Durchführung besprochen. Da der Durchführung aber auch Ergebnisse folgen, die umgesetzt werden wollen, hat sich ein Praxisforum in Wien der Frage gewidmet, wie man aus Evaluierungsergebnissen nachhaltige Maßnahmen ableiten bzw. wie man Aufarbeitungsprozesse erfolgreich gestalten kann.
Das Institut für Vitalpsychologie und vieconsult haben gemeinsam zu dem Fachaustausch eingeladen. Als Gastgeber hat die mediclass Gesundheitsclub GmbH fungiert. Der Einladung ins trendige „Viertel Zwei“ folgten rund 30 Personalistinnen und Personalisten. Als Praxisbeispiele wurden Projekte der Raiffeisenbank International, des Umweltbundesamtes und der UNIQA vorgestellt.
Evaluierung nach ASchG: Instrument der Organisationsentwicklung
Im Zentrum der Veranstaltung stand die Frage, wie man bestmöglich mit den Ergebnissen einer Evaluierungsbefragung umgehen kann. Denn die Maßnahmenableitung und die konsequente Umsetzung sind das eigentliche Herzstück eines Evaluierungsprojektes. In vielen Unternehmen kommt es jedoch zu einer Verkürzung der Aufmerksamkeit, die sich dann nurmehr auf die Erhebung richtet (meist in Form eines Fragebogens). Oder wie Gerd Beidernikl, Geschäftsführer von vieconsult, in seinem Vortrag festhält: „Die Evaluierung psychischer Belastungen nach ASchG sollte von Unternehmen viel mehr als Prozess anstatt als Projekt gesehen werden. Denn es gilt die definierten Themenfelder konsequent und langfristig zu bearbeiten. Per se endet eine Evaluierung nie, sondern setzt sich zyklisch fort – auch wenn die Erstevaluierung vielleicht schon abgeschlossen ist.“
Damit rückt der Vortragende die Evaluierung psychischer Belastungen in die Nähe eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses. In anderen Bereichen längst Standard in vielen Unternehmen. „Evaluierungsprojekte sind Organisationsentwicklungsprojekte, werden aber leider viel zu selten als solche betrachtet“, ergänzt Gerd Beidernikl. Er verweist dabei auch auf Ergebnisse aus einer aktuellen Grundlagenstudie der vieconsult GmbH mit über 4.000 österreichischen Erwerbstätigen. Die Studie hat einen neuen integrierten Ansatz der Belastungsmessung (IAAB-Ansatz) propagiert, in der neben den reinen Belastungsfaktoren auch ergänzende Faktoren zur Gestaltung des Arbeitsumfeldes erhoben werden.
Die Muster erfolgreicher Evaluierungsprojekte
Einen ähnlichen Ansatz hat auch Arbeits- und Organisationspsychologe Bardia Monshi, Geschäftsführer vom Institut für Vitalpsychologie. In seinem Praxisvortrag teilt er Erfahrungen aus Evaluierungsprojekten und stellt die Frage, welche Muster erfolgreiche Projekte miteinander verbinden. Er sieht einen Stolperstein in der Simplifizierung der Problemzusammenhänge: „Der Mensch ist keine Maschine. Simple Wenn-Dann-Zusammenhänge haben keine Gültigkeit, wenn es um die menschliche Psyche geht. Und dennoch versuchen viele in ihrer Vorgehensweise genau das zu tun: Sie behandeln den komplexen Organismus Mensch wie eine triviale Maschine.“ Dementsprechend definiert er einen großen Stellhebel in der Gestaltung eines kontinuierlichen Entwicklungsdialogs unter Mitarbeitenden und Führungskräften. Gerade weil es meist um Wechselwirkungen zwischen Organ, Organismen (Führung und Mitarbeitende) und Organisation geht, sind Evaluierungsergebnisse dialogisch aufzuarbeiten.
Evaluierung nach ASchG: Beispiele aus der Praxis
Drei Praxisbeispiele markieren den Hauptteil des Praxisforums. Anhand von konkreten Evaluierungsprojekten dreier Großunternehmen wurde vor allem die Aufarbeitungsphase aufgegriffen und diskutiert.
1. Praxisbeispiel: Raiffeisenbank International
In diesem Evaluierungsprojekt stand vor allem der Dialog mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Vordergrund. Dabei wurde geschildert, wie – aufbauend auf den Ergebnissen einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung, begleitet durch die vieconsult GmbH – ein erstes Screening der Belastungen durchgeführt und letztlich über standardisierte Gruppengespräche vertieft wurde. Dabei wurden Prozessschritte, die lösungsorientiertes Denken von Mitarbeitenden fördern sollen, erläutert.
2. Praxisbeispiel: UNIQA
Ursula Gessl von UNIQA stellte in Ihrem Praxisbeispiel die sehr breit angelegten Bemühungen des Unternehmens dar, das bereits seit 2013 konsequent an Belastungsthemen in der Berufswelt arbeitet. Das Unternehmen tut dies inzwischen flächendeckend mit über rund 5.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Im Fokus stand der Gedanke, die Evaluierung als nie endendes Vorhaben zu begreifen und permanent an einer „gesunden Organisation“ zu arbeiten. Dementsprechend wurde das Thema „Gesunde Führung“ auch in Regelausbildungsprogramme für Führungskräfte übernommen.
3. Praxisbeispiel: Umweltbundesamt
Ralph Löwy vom Umweltbundesamt hat ergänzend sehr offen über Probleme und Schwierigkeiten im Rahmen der Evaluierung psychischer Belastungen durch das ASchG gesprochen. Basierend auf den Erfahrungen eines Evaluierungsprozesses, welcher seit rund 2 Jahren in das Unternehmen integriert ist. Zu den Herausforderungen der Evaluierung psychischer Belastungen zählen unter anderem:
- die Fokussierung auf zu viele Themen in der Erhebung. Das führt gegebenenfalls zu einem unverhältnismäßig langen Fragebogeninstrument.
- die interne Kommunikation – vor allem wenn man diese vernachlässigt. Gerade die Wichtigkeit der internen Kommunikation wird bei Evaluierungsprojekten oft unterschätzt.
Dem Umweltbundesamt gelang es durch circa 25 Mitarbeitenden-Workshops Akzeptanz für den Prozess und inhaltlich fundierte Maßnahmen zur Aufarbeitung zu erreichen.
Evaluierung nach ASchG: Es geht um viel!
„Gesunde Mitarbeitende kosten viel. Kranke Mitarbeitende kosten hingegen ein Vermögen!“ Gemäß diesem Motto konnten alle anwesenden Unternehmen deutlich machen, welcher Nutzen – vor allem langfristig – aus den Projekten zur Evaluierung psychischer Belastungen durch das ASchG entstehen kann. Das Praxisforum bot zudem neben spannenden Vorträgen auch die Möglichkeit, den direkten Austausch mit den Referentinnen und Referenten zu suchen und Erfahrungen anderer Unternehmen zu reflektieren.
Mediclass war bei diesem Praxisforum der ideale Gastgeber, denn das Unternehmen widmet sich als eines der größten Ärztezentren Europas dem wichtigen Anliegen einer erstklassigen und leistbaren Versorgung in Fragen physischer und psychischer Gesundheit. Christoph Sauermann, Geschäftsführer von Mediclass, zeigte auf einem Rundgang durch die Mediclass-Räumlichkeiten anhand einiger Beispiele auf, wie Firmen durch entsprechende Investitionen in Betreuungspakete für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter signifikant Kosten von Krankenständen und Zeitaufwendungen für Arztbesuche senken konnten. Das Praxisforum stand damit nicht nur im Zeichen der „Gesundheit am Arbeitsplatz“, sondern zeigte durch den Veranstaltungsort, wie Unternehmen in ihre Mitarbeitenden und deren medizinische Versorgung investieren können.
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