Wissensmanagement: Willkommen im sozialen Dilemma des Shared Knowledge

Wissen zählt zu den essenziellen Ressourcen unserer Gesellschaft – im besonderen Maße gilt dies im Arbeitskontext, denn Zusammenarbeit basiert auf dem gegenseitigen Austausch von Wissen und es braucht Expertinnen und Experten. Fachwissen zu teilen ist in der Praxis jedoch nicht so einfach, wie man es sich vorstellt, und gleicht öfter einem sozialen Dilemma. Warum? Wir geben eine Antwort und Tipps, wie auch Sie ein sinnstiftendes Netzwerk aus Wissen in Ihrem Unternehmen schaffen können!

Unter „Wissensmanagement“ oder „Knowledge Management“ versteht man alle strategischen bzw. operativen Tätigkeiten und Managementaufgaben, die auf den bestmöglichen Umgang mit Wissen abzielen. Effizientes Wissensmanagement sollte daher eine zentrale Aufgabe in jedem Unternehmen sein. Dabei gilt: Je wissensintensiver die Branche oder die Expertenorganisation, umso wichtiger das Knowledge Management.

Daten – Informationen – Wissen

Betrachtet man Wissen und seine Bestandteile systematisch, so kann man zunächst davon sprechen, dass Wissen auf Informationen und Informationen auf Daten beruhen. Daten fungieren dabei als objektive, meist mess- oder beobachtbare Fakten über Gegenstände oder Ereignisse, die in ein Bezugssystem gebracht und zu Informationen umgewandelt werden können. Informationen sind daher Daten, die in Kontext gesetzt wurden.

Die Fachliteratur drückt es folgendermaßen aus: Die drei Daten „205, 198, 202“ sagen Ihnen nichts. Mit dem Kontext „Körpergröße in Zentimetern“ und „Geschlecht“ haben Sie die Information, dass es sich um drei große Männer handelt.

Eine Ebene höher setzt sich Wissen aus vielen Daten und Informationen zusammen. Anders als Information ist Wissen handlungsorientiert. Es entsteht erst durch das Zusammenfügen verschiedener Informationen zu Handlungsmustern und ist dadurch für praktische, alltägliche Anwendungen prädestiniert. Dabei ist das Wissen zunächst an ein Individuum gebunden. Das Individuum hat die Informationen verarbeitet und Wissen „generiert“. Zwar kann man das individuell erworbene Wissen in einem gewissen Umfang auch für andere zugänglich machen, aber dies gestaltet sich wesentlich schwieriger als das Teilen von Daten und Informationen. Warum? Weil Wissen dazu meist zu komplex ist.

Wissensmanagement als Konzept: Drei Wissensquellen

Im Wesentlichen gibt es 3 Gruppen von Wissensquellen, die den Zugang zu Wissen in einem Unternehmen ermöglichen: Dokumente, Menschen und Interaktionen.

1. Dokumente als Wissensquellen

Menschen, die über Wissen verfügen, können versuchen dieses Wissen bestmöglich in Dokumenten zu verschriftlichen und zu archivieren. Ob das in Form eines WIKIs, in Mikro-Artikeln oder Checklisten passiert, ist egal. Das Problem des Wissensmanagements besteht darin, diese Dokumente gut aufzubereiten und für große Gruppen zugänglich zu machen.

2. Menschen als Wissensquelle

Zudem ist der Mensch selbst eine beachtliche Wissensquelle. Die Menschen, die Wissen verschriftlichen (oder dies zumindest könnten), besitzen meist noch viel mehr (Erfahrungs-)Wissen als dokumentierbar wäre. Wissensmanagement oder Knowledge Management strebt daher danach, Menschen zu finden, die spezifisches Wissen besitzen. Experten-Datenbanken sind ein simples Beispiel für eine solche Strategie.

3. Interaktionen als Wissensquelle

Auf oberster Ebene gibt es noch jene Wissensquellen, die erst durch Interaktion, d. h. den Austausch von unterschiedlichen Wissensträgern entstehen. Wir sprechen hier von offenen Lern- und Erfahrungsstrukturen, die meist über Abteilungsgrenzen hinweg Wissen generieren und verteilen (bspw. Best Practice Zirkel).

Wissensmanagement in der Praxis: Wissen zu teilen wird zum sozialen Dilemma

Soweit die graue Theorie. Klingt einfach. Aber warum funktioniert der Wissensaustausch in Unternehmen meist nicht so, wie erhofft? Weil es sich um ein soziales Dilemma handelt, in dem übergeordneter Nutzen und individuelle Ziele kollidieren.

  1. Wissens- und Informationsdokumentation bringt einen erheblichen Zeit- und Energieaufwand mit sich. Einmal abgelegt, steht es aber vielen zur Verfügung. Damit entsteht der Nutzen immer für den Wissen-Abrufenden, der Aufwand immer für den Wissen-Dokumentierenden.
  2. Andere dokumentieren Wissen und man selbst muss es nur abrufen. Es ist zeit- und energieökonomischer, das eigene Wissen nicht zu dokumentieren und nur das Wissen anderer zu nutzen. So entsteht Egoismus. Verhalten sich alle effizient – entsteht kein Wissensaustausch.
  3. Unternehmen verstärken diesen Mechanismus teilweise noch zusätzlich, da die Verwertung und die Nutzung von Wissen üblicherweise belohnt werden – die Dokumentation von Wissen jedoch eher nicht. Wissensmonopol heißt Vorteil. Teilt man sein Wissen, entsteht nicht unmittelbar derselbe Vorteil. Oder überspitzt formuliert: Das Nicht-Teilen macht Personen unersetzbar, das Teilen von Wissen macht Personen ersetzbar.
  4. Wer viel Wissen besitzt, ist eine Expertin oder ein Experte. Und in vielen Organisationen werden noch immer jene Personen in der Karriereleiter begünstigt, die unersetzbar sind. Diese möchte man durch attraktive Positionen im Unternehmen „halten“. Während Organisationen eigentlich danach trachten müssten, Wissen zu verteilen, um das eigene Risikopotenzial zu senken – werden stattdessen hohe Wissensansammlungen in Form von Expertinnen und Experten durch privilegierte Positionen belohnt. Ein Paradoxon, welches die Situation verstärkt.

Strategien für ein erfolgreiches Wissensmanagement

Dieses Dilemma lässt sich teilweise nicht lösen. Es gibt jedoch einige Grundstrategien, um die Problematik abzumildern. Diese Strategien lassen sich wie folgt zusammenfassen:

1. Senken Sie die „Eingabekosten“ für Ihr Wissensmanagement

Je höher der Aufwand, umso weniger Eingaben. Wenn Wissen in Datenbanken oder Dokumente eingespeist werden soll, sollten diese Tools einfach und zugänglich sein. Interaktive Austauschformate sollten kompakt und fokussiert sein.

2. Machen Sie deutlich, welche Information für andere wichtig sein könnte

Je deutlicher die Wichtigkeit einer Information ist, umso höher die Bereitschaft, eigenes Wissen beizusteuern. Wenn ich weiß, was andere wissen wollen, kann ich einfacher dazu beitragen.

3. Machen Sie Wissensbeiträge von Expertinnen und Experten „sichtbar“

Je höher die allgemeine Sichtbarkeit der Wissensträgerin oder des Wissensträgers, umso eher sind Menschen dazu bereit, ihr Wissen zu teilen. Wissen zugänglich zu machen kann auch soziales Prestige bedeuten.

4. Geben Sie Rückmeldungen zur Nutzung des Wissens und der positiven Effekte

Wenn Wissensträgerinnen und -träger sehen, wo ihr Wissensbeitrag Nutzen stiftet, ist dies ein positiver Stimulus.

5. Belohnen Sie Verhalten, welches Wissen teilt und anderen zugänglich macht

Sanktionieren Sie im Gegenzug Verhalten, welches Wissen monopolisiert. Belohnen Sie dabei vor allem Qualität, nicht zwangsläufig Quantität. Letzteres führt gegebenenfalls nur zu unnützem Wissen.

 

Quellen:

Dieser Artikel beruht auf Gedanken aus den folgenden Artikeln:

  • Oldigs-Kerber: Aspekte zum Wissensmanagement: Wissen-teilen als soziales Dilemma, Zeitschrift Wissensmanagement 49/2007.
  • Glückler: Zwischen Wissensaustausch und Wissensschutz, Thesenpapier, Oldigs-Kerber, o.J.

 

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