Krank in die Arbeit – schlimmer Präsentismus!

Sie kennen das Phänomen sicher … man betritt morgendlich das Büro und schon hustet einem ein Kollege halb-krank entgegen. Man bringt Mitleid auf und meint vielleicht: „Na, du klingst aber gar nicht gut!“. „Leider, aber meine Projekte laufen auf Hochtouren und Krankenstand ist derzeit nicht drinnen“, so sprach‘s der Kollege und verteilt auch mit seinem nächsten Huster Viren durch die Bürolandschaft. Hier sind wir mitten drinnen: im Präsentismus.

Was ist Präsentismus?

Es ist bei Weitem kein neues Phänomen, der Präsentismus. Mit Präsentismus bezeichnen Arbeitsmediziner allgemein das Phänomen, wenn Arbeitnehmer trotz Krankheit am Arbeitsplatz zum Dienst erscheinen. Damit bezeichnet Präsentismus, welcher als Wort seinem Gegenteil Absentismus nachempfunden ist, das genaue Gegenteil vom vielzitierten „Krankfeiern“ oder der gefährlichen „Morbus Freitag“.

Die Gründe für Präsentismus sind vielfältig. Als einer der Hauptgründe wird aber meist Angst vor Arbeitsplatzverlust angeführt. Nicht umsonst zeigen Studien eine Querverbindung zwischen Präsentismus-Rate und negativer Entwicklung am Arbeitsmarkt. Wer möchte schon negativ auffallen? Da schleppt man sich lieber auch siechend und keuchend in das Büro, nur um nicht dem falschen Verdacht des Tachinierens aufzusitzen.

Unbeachtete Folgen

Die von Mitarbeitern so selbstverordnete Anwesenheitspflicht aus Angst um den Arbeitsplatz ist nicht wünschenswert. Trotz körperlicher Anwesenheit können kranke Mitarbeiter nicht die volle Leistung bringen und ihre Leistung sinkt unweigerlich ab. Im Gegenzug dazu steigen Unfallgefahr und Fehlerquote proportional an. Ein Pyrrhussieg. Und wenn einen die Krankheit dann letztlich doch ins Krankenbett zwingt erscheint der Heilungsprozess länger und die Krankheit wird verschleppt.

Viele Arbeitgeber, aber auch Arbeitnehmer, sind sich der Tatsache nicht bewusst, dass die bloße Anwesenheit das Unternehmen viel teurer zu stehen kommt als das Auskurieren der Krankheit. Schon frühe Arbeiten zu diesem Thema (vgl. Hemp 2004) haben darauf hingewiesen, dass Präsentismus mindestens doppelt so hohe Kosten verursacht wie sein Gegenstück, der falsche Absentismus.

Frage des sozioökonomischen Status

Präsentismus ist dabei oft eine Folgeerscheinung. Menschen, die einer schlechter bezahlten Arbeit nachgehen, sind einer größeren Gefahr ausgesetzt krank zu werden als Personen, die beruflich besser gestellt sind. Sie verfügen über geringe finanzielle Mittel, um den Alltag zu bestreiten und weisen einen geringeren Bildungsgrad auf. Im Gegenzug ist die eigene Angewiesenheit auf den Arbeitsplatz meist ausgeprägter als bei entsprechend höherqualifizierten Jobs. Das Fazit: Mit der Höhe der Schulbildung nimmt die Bereitschaft einen Krankenstand zu vermeiden oder krank zur Arbeit zu gehen ab.

Betriebliches Handlungsfeld

Unternehmen müssen das Themenfeld Präsentismus als wichtiges Handlungsfeld begreifen. Es geht nicht nur darum, die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern, sondern auch Krankheit und Kranksein einen entsprechenden Platz im eigenen Organisationsgefüge zu geben.

Studien zum Thema Präsentismus (vgl. Ambros & Zalokar, 2011) zeigen deutlich auf, dass Präsentismusbekämpfung für Unternehmen ein wesentlicher Hebel zur Förderung der Vitalität der Belegschaft darstellt. Statt Raubbau an den Ressourcen der Mitarbeitenden zu betreiben, ermöglicht ein gezieltes Handeln in Bezug auf Präsentismus, die Gesundheit und das Wohlbefinden der gesamten Organisation zu erhöhen und stellt damit eine salutogene Wirkkomponente für zukunftsorientierte Unternehmen dar.

Und ich meine auch hier sollten Führungskräfte als Beispiel vorangehen. Es geht nicht nur darum, Verständnis für kranke Mitarbeiter zu haben, sondern auch als Führungskraft keinesfalls krank in die Arbeit zu kommen.

Literatur

  • Ambros & Zalokar (2011). Präsentismus – ein Phänomen im Wirkungsfeld von Arbeit, Organisation, Individuum und Erkrankung.
  • Hemp, P. (2004). Presenteeism: At Work – But Out of It. Harvard Business Review, 82, 49-58

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